WEINBAU IN KANADA

GESCHICHTE UND ENTWICKLUNG DES WEINBAUS IN KANADA

Der Beginn des Weinbaus in Kanada

Schon um 1075 hielt Adam von Bremen fest, dass Svein Ulfsson, der König von Dänemark, ihm von ausgezeichnetem Wein aus Vinland erzählte. Wo sich dieses Vinland tatsächlich befand, lässt sich nicht mehr sagen. Ausgrabungsfunden zufolge lag es möglicherweise an der Ostküste Kanadas bei L'Anse aux Meadows, einer ehemaligen Wikingersiedlung auf Neufundland.

Anno 1811 legte der deutsche Unteroffizier John (Johann) Schiller am Credit River bei Toronto ein Weingut mit acht ha Rebfläche an, was als Geburtsstunde des kanadischen Weinbaus gilt. Er experimentierte mit den dort vorgefunden Wildreben der Spezies Vitis labrusca. Nachteilig an der amerikanischen Wildrebe war und ist allerdings der für uns unangenehme Geschmack, was wohl der Grund für den Misserfolg Schillers sein dürfte.

1866 entstand der erste Weinbaubetrieb auf der Insel Pelee im Eriesee, dem südlichsten der fünf Grossen Seen Nordamerikas. 3 Gutsherren aus Kentucky pflanzten 8 ha Rebfläche mit der Rebsorte Isabella an.  Ende des 19. Jahrhunderts gab es bereits rund 50 Weinbau-Betriebe, davon die meisten in der Provinz Ontario. Ab den 1930er-Jahren wurden grosse Mengen an französischen und amerikanischen Hybriden angepflanzt. Bei der Auswahl der Reben beachtet wurde vor allem die Frostbeständigkeit.

Die Prohibition 1916 bis 1927 bewirkte im Gegensatz zu den USA einen grossen Aufschwung im Weinbau. Denn hier war Wein – durch geschicktes Lobbying der Winzer -  vom Alkohol-Verbot ausgenommen. Zu dieser Zeit wurde das bis heute gültige „Liquor Board System“ geschaffen, bei dem der Verkauf von alkoholischen Getränken durch staatliche Läden erfolgt. Inzwischen wurde eine Lockerung eingeführt und der Verkauf auch durch private Geschäfte erlaubt. Bis in die 1970er-Jahre wurden vor allem süsse, alkoholstarke Weine aus Labrusca-Varietäten erzeugt, die als Sherry oder Port bezeichnet wurden.

Weinbau in Kanada heute

Heute werden in Kanada Rot-, Rosé- und Weissweine sowie Schaumweine erzeugt. Weine werden überwiegend trocken ausgebaut, ein geringer Anteil entfällt auf Süss- und Dessertweine. Die grössten Weinbaugebiete sind die Niagara Peninsula in Ontario und das Okanagan Valley in Britisch-Kolumbien, aber auch Nova Scotia ganz im Osten.

Eiswein aus Kanada und der Wandel zu europäischen Rebsorten

Im Jahre 1975 wurde dem Weingut Inniskillin (Niagara-Peninsula, Ontario) die erste Lizenz seit der Prohibition für einen privat geführten Weinbau-Betrieb vergeben. Es gibt mit denselben Besitzern auch ein Weingut Inniskillin Okanagan in der Provinz British Columbia. Einer der beiden Gründer war der österreichisch-kanadische Weinbau-Pionier Karl Kaiser, der die Produktion von Eiswein durchsetzte. Heute ist das klimatisch dafür begünstigte Kanada der weltweit grösste Erzeuger von Eiswein, die vor allem aus Vidal Blanc Chenin Blanc und Riesling gekeltert werden.

Damit begann auch der Wandel und Anbau von europäischen Vitis-vinifera-Sorten. Die Hybriden machen aber noch immer rund 60% aus und sind wegen des hohen Ertrages geschätzt. Die häufigste ist die berühmte rote Concord, aus der vor allem sherry- und portähnliche Weine produziert werden. Weitere sind De Chaunac, Elvira, Marechal Maréchal Foche, Niagara, Seyval Blanc und Vidal Blanc. Europäische Sorten sind Alicante, Cabernet Franc, Cabernet Sauvignon, Chardonnay, Gamay, Gewürztraminer, Merlot, Pinot Gris, Pinot Noir und Riesling. Im Okanagan Valley sind auch die deutschen Neuzüchtungen Bacchus und Ehrenfelser vertreten.

Vintners Quality Alliance (kurz VQA)

Im Jahre 1988 wurde das Appellations-System VQA (Vintners Quality Alliance) eingeführt. Dabei wird die Provinz oder die geographische Herkunfts-Bezeichnung (Weinbaugebiet) angegeben. Die relativ kleinen Weinbaugebiete in den Provinzen Nova Scotia = Neuschottland und Quebec sind noch nicht VQA-klassifiziert. Die Weine müssen aus Trauben der Provinz stammen und dort abgefüllt werden. Es sind nur Hybriden und Vinifera-Sorten zugelassen (keine nativen Vitis labrusca). Nicht für VQA zugelassene Rebsorten werden zu Portwein- und Sherry-Imitationen, oder Leichtweinen (bis 7% vol Alkohol-Gehalt) verarbeitet. Vorgeschrieben sind Mindest-Mostgewichte, aber es gibt keinerlei Ertrags-Beschränkungen. Bei Nennung der Provinz muss die ebenfalls anzugebende Rebsorte zu 75%, bei Angabe der geographischen Herkunft zu 85% von dort stammen. Bei zwei Rebsorten muss die zweite zumindest 10% Anteil ausmachen, bei Jahrgangsangabe der Wein zu 95% aus diesem Jahr stammen. Die Weine absolvieren eine Kontroll-Degustation und erhalten bei positivem Bescheid das schwarze, bei Erreichen von 15 bis 20 Punkten das goldene VQA-Siegel. Alle Angaben auf dem Etikett müssen in englisch und französisch aufgeführt werden, zum Beispiel Vin de glace und Icewine für den Eiswein.

Die wichtigen VQA-qualifizierten Weinbaugebiete sind:

In Ontario werden folgende VQA-qualifizierte Wein-Regionen unterschieden:

Niagara Peninsula: das mit Abstand grösste Weinbaugebiet Kanadas mit ca. 5670 ha Rebfläche. Grösstes Anbaugebiet für Eiswein.

Pelee Island: Kanadas älteste und südlichste Weinbauregion. Fläche ca. 202 ha.

Lake Erie North Shore: Die Rebflächen - ca. 200 ha - geniessen die längste Sonnenscheindauer.

Prince Edward Country: die jüngste und nördlichste Weinbauregion Ontario's.

In der grössten Weinbauregion Kanadas, Ontario, ist das Klima mit sehr kalten Wintern mit durchschnittlich minus 5 °C und sehr heissen Sommern extrem, aber auf der südlich gelegenen Niagara-Halbinsel durch den mildernden Einfluss der beiden riesigen Seen Ontario und Erie weit günstiger und fast ideal für den Weinbau. In der indianischen Sprache bedeutet Ontario übrigens soviel wie "schimmerndes Wasser"

Das Okanagan Valley in der westlichen Provinz British Columbia war schon immer die Früchte- und Gemüsekammer Kanadas. Neben Äpfeln, Birnen, Kirschen, Pfirsichen, Aprikosen und allerlei Beeren wurden dort auch Tafeltrauben angebaut. Der 130 Kilometer lange Okanagan Lake liegt im Norden des Tals. Weiter südlich die wesentlich kleineren Skaha, Vaseux und Osoyoos Lake. Das Okanagan Valley endet an der Grenze zum US-Bundesstaat Washington. Grösste Stadt ist Kelowna mit 90000 Einwohnern.

Die Eigenheit des Okanagan Valleys: Der Süden des Okanagan Valley (auch das kanadische Napa Valley genannt) ist die einzige Region Kanadas mit aridem Klima (Niederschlag ist geringer als die mögliche Verdunstung). Die jährlichen Niederschlagsmengen belaufen sich auf ca. 180 mm/Jahr und im Sommer können die Tages-Temperaturen auf 35°C steigen. Künstliche Bewässerung ist notwendig. Etwa 1500 ha Rebfläche sind bestockt. In diesem durch den Okanagansee begünstigten Teil fühlen sich die Bordeauxweinsorten Cabernet Sauvignon, Cabernet Franc und Merlot wohl. Im kühleren Nordteil des Tals fühlen sich die deutschen Rebsorten Siegerrebe, Silvaner, Optima und Ortega zuhause. Im mittleren Teil des 180 Kilometer langen Tals werden Pinot Blanc, Pinot Gris und Chardonnay angebaut. Wenn man in unsern Regionen überhaupt kanadischen Wein erhielt, stammte er zumeist aus Ontario. Wenn jetzt British Columbia mit dabei ist, liegt das auch an Helmut Becker, Rebzüchter und Dozent an der deutschen Forschungs- und Lehranstalt für Weinbau und Kellertechnik in Geisenheim. Er bereiste 1976 das Okanagan Valley, erkannte dessen Potenzial, machte erfolgreiche Versuche und versorgte Obstfarmer mit Stecklingen. Beat und Prudence Mahrer aus Basel haben sich in Kanadas Weinwelt mit ihrer Red Rooster Winery schnell einen Namen gemacht. Zu den angesehenen Kellereien gehören auch die Lang Vineyards von Günter und Kristina Lang aus Stuttgart. In Kanada bekannt wurden die Langs auf Grund einer Spezialität, die man vorwiegend in Dutyfree Shops des Landes findet: Canadian Maple Wine aus Pinot noir und Pinot Meunier mit 15% Ahornsirup. Grösste Attraktion für Weintouristen ist Mission Hill in der Nähe von Kelowna (Bild rechts). Der Besucher könnte meinen, im Napa Valley, etwa bei Mondavi oder Opus One zu sein. Die Architektur der Kellerei- und Besuchergebäude ist beeindruckend. Besitzer ist Anthony von Mandl aus Vancouver, dessen Familie aus Wien stammt und der sein Geld mit Limonade gemacht hat. Weitere Erzeuger sind: Quails Gate, Summerhill, Cedar Creek, Sumac Ridge sowie weiter südlich Inniskillin Okanagan und Gehringer Brothers. Ebenfalls empfehlen kann man die von der Regierung finanzierte NK’Mip Cellars oberhalb der Wüstenstadt Osoyoos. Die Kellerei ist im Besitz der Osoyoos-Indianer beziehungsweise Aboriginals, keinen Verwandten der australischen Namensvettern.

Similkameen Valley: Das Tal beginnt ähnlich wie Okanagan Valley im wüstenartigen Osoyoos, zieht sich aber ca. 100 km aufwärts in Richtung Princeton.